Die inoffizielle Auktion
In einem ausgewogenen Wohnungsmarkt ist die ausgeschriebene Miete der Preis, den man zu zahlen erwartet. In den großen Städten der Niederlande ist diese Vorstellung jedoch eine verkehrte Fantasie. Bei begehrten Objekten ist der ausgeschriebene Preis (vraagprijs) lediglich das Eröffnungsgebot in dem, was schnell zu einer inoffiziellen, unregulierten und oft stressigen Auktion wird. Dieser Prozess, oft als Bieterkrieg bezeichnet, ist die harte Realität eines Marktes, der durch chronische Unterversorgung und überwältigende Nachfrage geprägt ist. Interessenten nehmen an überfüllten Gruppenbesichtigungen teil, und danach fordert der Immobilienmakler alle Interessenten auf, ihr „bestes und endgültiges Angebot“ per E‑Mail bis zu einer bestimmten Frist einzureichen. Dadurch entsteht eine blinde Bietumgebung, in der Sie keine Ahnung haben, was andere bieten, und gezwungen sind zu schätzen, wie viel Sie überbieten müssen, um eine Chance zu haben.
Diese Praxis ist besonders im freien Sektor weit verbreitet, wo Vermieter nicht an Preisobergrenzen gebunden sind. Obwohl sie nicht offiziell als formelles Bietverfahren sanktioniert ist, handelt es sich um eine rechtlich graue, aber allgemein akzeptierte Marktpraxis. Die Rolle des Maklers besteht darin, möglichst viel Interesse zu generieren und dem Vermieter die attraktivsten Angebote vorzulegen, wobei „attraktiv“ oft gleichbedeutend mit „höchster Bieter“ ist. Dadurch verwandelt sich die Wohnungssuche in einen hochriskanten Wettbewerb, bei dem Ihre finanzielle Leistungsfähigkeit direkt mit der von Dutzenden anderer Hoffender verglichen wird. Es ist ein System, das diejenigen mit den tiefsten Taschen stark bevorzugt und Mieter unter enormen Druck setzt, ihr Budget über das Vernünftige oder Tragbare hinaus zu dehnen, nur um ein Dach über dem Kopf zu sichern.
Das 'gewinnende' Angebot zusammenstellen
Ein Mietangebot (huurvoorstel) in diesem wettbewerbsintensiven Umfeld ist weit mehr als nur eine Zahl. Es ist ein umfassendes Bewerbungsdossier, das darauf abzielt, Sie als den idealen, risikoarmen Mieter zu präsentieren. Vermieter und deren Makler suchen den Weg des geringsten Widerstands und größtmöglicher Sicherheit, und Ihr Angebot muss das widerspiegeln. Während ein erhebliches Überbieten oft der entscheidende Faktor ist, können andere Elemente die Waage zu Ihren Gunsten kippen.
Ein starkes Angebot umfasst typischerweise:
- Das Angebot: Geben Sie klar die von Ihnen angebotene Monatsmiete an. Ein Überbieten von 50 € bis 250 € pro Monat über dem ausgeschriebenen Preis ist in Städten wie Amsterdam leider depressiv häufig.
- Eine persönliche Vorstellung: Ein kurzes, professionelles und freundliches Schreiben, in dem Sie sich und eventuelle Mitmieter vorstellen. Dies ist Ihre Chance, eine menschliche Verbindung herzustellen, aber halten Sie es knapp. Nennen Sie Ihren Beruf, warum Sie umziehen und warum Sie glauben, ein guter, verantwortungsvoller Mieter zu sein.
- Finanzielle Sicherheit: Das ist von größter Bedeutung. Sie müssen Einkommensnachweise vorlegen, in der Regel durch aktuelle Gehaltsabrechnungen und einen Arbeitsvertrag. Die ungeschriebene Regel lautet, dass Ihr monatliches Bruttoeinkommen mindestens das 3- bis 4‑fache der Kaltmiete betragen sollte. Wenn Sie dieses Kriterium nicht erfüllen, sind Ihre Chancen gering, es sei denn, Sie können eine hohe Vorauszahlung oder einen Bürgen von Dritter Seite anbieten (was nicht alle Vermieter akzeptieren).
- Günstige Vertragsbedingungen: Das Angebot, einen längeren festen Mietvertrag zu unterschreiben (z. B. 24 Monate statt 12) oder flexibel beim Einzugsdatum zu sein, kann Ihr Angebot für einen Vermieter, der Stabilität sucht, attraktiver machen.
Das gesamte Paket ist eine Aufführung. Sie werden nach Ihrer finanziellen Stabilität, Ihrer wahrgenommenen Zuverlässigkeit und Ihrer Fähigkeit beurteilt, eine saubere, professionelle Bewerbung vorzulegen. Fehlende Dokumente oder Anzeichen von Unorganisiertheit können ausreichen, um Ihre Bewerbung ans Ende des Stapels zu verweisen.
Ethik und Rechtmäßigkeit des Überbietens
Ist diese Praxis des Überbietens legal? Für Objekte im freien Sektor lautet die leider bittere Antwort: ja. Es ist ein freier Markt, und ein Vermieter ist berechtigt, das beste Angebot anzunehmen, das er erhält. Es gibt keine Gesetze, die die Höhe eines Angebots eines Mieters begrenzen. Dies hat zu einer Marktkultur geführt, in der der ausgeschriebene Preis oft als absichtlich niedriger „Lokpreis" (lokprijs) angesehen wird, der darauf abzielt, eine große Anzahl von Bewerbern anzuziehen und einen Bieterwahn auszulösen. Obwohl dies ethisch fragwürdig ist, ist es sehr schwer zu regulieren.
Der skeptische Mieter sollte diesen Prozess mit klarem Kopf und festem Budget angehen. Es ist unglaublich leicht, sich von der emotionalen Aufregung einer „perfekten" Wohnung mitreißen zu lassen und mehr zu bieten, als man sich wirklich leisten kann. Denken Sie daran, dass Ihre Mietzahlung eine wiederkehrende monatliche Ausgabe ist, und ein Überbieten von 200 € pro Monat summiert sich auf 2.400 € im Jahr. Es ist außerdem wichtig, sich illegaler Praktiken bewusst zu sein, die diesen Prozess begleiten können. Ein Makler darf Ihnen beispielsweise rechtlich nicht einfach eine Gebühr dafür berechnen, ein Angebot einzureichen, noch kann er nicht nicht erstattungsfähige „Vertragskosten" verlangen, falls Ihr Angebot angenommen wird. Ihre einzigen finanziellen Verpflichtungen zu Beginn sollten die erste Monatsmiete und die Kaution sein. Während Sie möglicherweise das Überbietspiel spielen müssen, um erfolgreich zu sein, sollten Sie niemals bezahlen müssen, nur um überhaupt teilnehmen zu dürfen.